Czernin

Eva Moos

Iemanja

Eine junge Frau tritt statt ihrer Mutter eine Reise zum Meer an, um die Asche ihrer dort aufgefundenen Großeltern von einer Insel aus im Meer zu verstreuen. Von einem Sturm überrascht, kentert das Boot, und sie wird von einer anderen Frau gerettet. Die Schicksale der beiden scheinen auf wundersame Weise miteinander verwoben. Sie lernen sich kennen und lieben. Eine Zukunft hat ihre Liebe nicht.

Eva Moos erzählt in ihrem Debüt vom Erwachsenwerden zweier junger Frauen. Die eine sucht die Veränderung, die andere wird von der Veränderung mitgerissen. Die eine sucht die Freiheit, die andere die Ferne. Ohne an Raum oder Zeit gebunden zu sein, erscheinen Leben und Liebe der beiden wie ein Märchen. Moos’ Sprache ist dabei wie das Meer, über das sie schreibt: rhythmisch, gewaltig und von einer natürlichen Leichtigkeit getragen.

 

Leseprobe:

„Sie ging auf mich zu, so langsam, als würde sie nie ankommen, und plötzlich war sie ganz nahe, so nahe, dass ich ihre nassen Haare riechen konnte. Sie nahm meine Hände, sanft, wie etwas sehr Zerbrechliches oder Neugeborenes, so vorsichtig und ängstlich, ihnen zu schaden, sie nahm sie in ihre eigenen und zog sie hoch, als würde sie mich zum Tanz auffordern oder zum Aufbruch in ein neues Leben. Ich fühlte den schwachen, fast nicht realen Druck der schmalen Finger und den meinen, sie zog sie hoch, so nahe zu ihrem Gesicht, dass ich ihren Atem zwischen meinen Fingerspitzen spüren konnte. Sie berührte sie mit ihren Lippen, meine schmalen Fingerkuppen, die Nägel, die darauf gebettet waren, ohne jegliches Geräusch, sie blickte mir dabei nicht in die Augen, sondern nur auf die Hände, als wären sie das Schönste auf der Welt. Ein Impuls wanderte von meinen Fingerspitzen über meine Handflächen, die Arme, die Schultern, in meinen Kopf und über meinen ganzen Körper, ich fühlte, wie all meine Nerven zu leben begannen, und diese Berührung war wie die Linderung eines Leidens, an dem ich schon lange litt, die Heilung, nach der ich schon immer gesucht hatte.“