Czernin

Alfred J. Noll
Dominik Öllerer (Hg.)

Hegemonie und Recht

Festgabe für Nikolaus Dimmel

Aus den Dutzenden Büchern und den Hunderten Aufsätzen, die Nikolaus Dimmel seit Mitte der 80er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts veröffentlich hat, und aus den ungezählten Vorträgen, öffentlichen Auftritten und Artikeln lässt sich die rechtssoziologisch und rechtspolitisch kaum zu bezweifelnde Gewissheit ablesen, dass es von allergrößter Fahrlässigkeit ist, die sozialwissenschaftlichen Grundlagenfächer aus der Rechtswissenschaft zu verdrängen oder auf vereinzelte (freiwillige) Nebenfachveranstaltungen zu reduzieren.

Auch wenn uns die landläufige Formel vom Recht, das zu haben etwas anderes sei, als es zu bekommen, oft zum zynischen Kalauer verkommt: Die Gerechtigkeit – wie auch immer wir sie näher bestimmen – erwächst nicht aus der regulativen Immanenz des positiven Rechts, viel eher müssen wir vermuten, dass sie oftmals (oder: immer öfter) erst gegen das positive Recht erstritten werden kann.

Von Nikolaus Dimmel lernen wir, dass zwischen dem geschriebenen Recht und der Rechtsrealität eine klaffende und bisweilen skandalöse Wunde klafft; hier, zwischen dem »law in the books« und dem »law in action«, realisieren sich die ökonomischen, sozialen, politischen und kulturellen Disparitäten einer Gesellschaft, die wesentlich auf Ungleichheit basiert. Hier zeigt sich, wie sehr die menschlichen Lebensverhältnisse in immer weiterem Umfang auf die Form bloßer »Geldverhältnisse« degradiert werden, wie sehr die sozialen Beziehungen nur mehr auf eine alle Individuen entmächtigende »Kosten-Nutzen-Relation« reduziert werden. Die hier bestimmenden Zusammenhänge von Ursache und Wirkung, wie sie sich tagtäglich als Folge unserer kapitalistischen Produktionsweise reproduzieren, bleiben – vornehmlich in der akademischen rechtswissenschaft – weitgehend unbeleuchtet.

Nikolaus Dimmel ist hier mit seinen Analysen, mit seiner Kritik und seinen Reformimpulsen die große Ausnahme in Österreich. Seine Arbeit widerstreitet dem Regulativ einer performance- und impactgierigen Wissens(re)produktion. Darin ist er Vorbild, und dafür gebührt ihm Dank und Anerkennung.