Czernin

Meinhard Rauchensteiner

Gegenverkehr

Miniaturen

Meinhard Rauchensteiners Miniaturen sind wie bittere und heitere Pillen zugleich. Sie reihen sich in die Riege der Wiener Großautoren der Kleinen Form und schreiben so eine Tradition fort, die man ihnen nicht gleich ansieht.

In immer neuen Ansätzen versucht der Autor, Momente festzuhalten, Stimmungen gerecht zu werden oder Gefühlen auf die Schliche zu kommen. Die Sprachbilder zeichnen Alltagssituationen wie Außergewöhnliches, stellen einzelne Wörter in den Fokus, beinhalten Fliegen, Bücher oder Gläser. Der Zauber der Texte liegt jedoch oft im Ungesagten.

 

Leseprobe:

ET, -QUE

Ein Tausendsassa ist das »Und«. Wenn es in der deutschen Sprache einen Alleskönner gibt, dann dieses kleine Wort. Wie ein Libero rast es über das Spielfeld, es ist Vorstopper, verbindet im Mittelfeld, verteidigt dieses oder stürmt zum Tor. Es bestimmt das Tempo im Text und bremst allzu hastende Sätze, sorgt aber auch dafür, dass Fahrt aufgenommen wird; Begründungen führt es ebenso im Schlepptau wie logische Folgerichtigkeit, beherrscht den hohen Ton wie auch das Lapidare. Dabei – und das macht es so charmant, so liebenswert – drängt es sich nicht an die Rampe des Sprechtheaters, plustert sich nicht auf, protzt nicht mit seinem Können und spuckt das Publikum nicht an. Es verweilt lieber im Hintergrund und füllt die Fugen unauffällig auf. Manche Sätze wären zum Stolpern und mancher Sprecher landete auf der Schnauze, ohne die vielfältigen Heilkünste des »Und«. Wie ein besonderer Kleber fügt es noch so entfernte Teile zusammen, schweißt Entferntestes zusammen, auf dass jeder noch so schwere Gedanke ohne abzustürzen getragen werden kann. Freilich, manch einer scheut davor zurück, das »Und« zu substantivieren und ihm Rang und Würde eines Hauptwortes zukommen zu lassen, wie wir es eben taten. Da antworten wir: Na und?