Czernin

Walther Rode
Alfred J. Noll (Hg.)

Der Fall der Baronin Bibu

und andere Geschichten aus dem Leben. Herausgegeben und mit einem Anhang versehen von Alfred J. Noll

Der Wiener Rechtsanwalt, Journalist und Schriftsteller Walther Rode (1876 bis 1934) war eine schillernde Persönlichkeit. Rodes wortgewaltige Schriften wurden von den Nationalsozialisten verbrannt,
heute ist er fast vergessen. Sein Roman „Der Fall der Baronin Bibu“ ist im
Juli 1934 als Fortsetzung in 15 Folgen im Prager Tagblatt erschienen und wird nun erstmals in Buchform in der „Bibliothek der Erinnerung“ veröffentlicht.

Walther Rodes Roman erzählt das Leben einer Wiener Schauspielerin, die zur Zeit des Ersten Weltkrieges einen Baron heiratet und mit ihm in die Provinz an den Attersee zieht. Schnell beginnt sie sich auf dem Land zu langweilen und übersiedelt nach Salzburg, während der Baron im Ausland weilt. Unfreiwillig wird sie in den Strudel der Nachkriegsereignisse gezogen. Ihr Versuch, sich zu emanzipieren, ist zum Scheitern verurteilt.

 

Leseprobe:

Sie war noch immer sehr erregt. Hätte sie sich im Spiegel betrachten können, sie wäre über ihre Bläße erschreckt gewesen. Auch auf der Straße war kein Fahrzeug und kein Mensch. Wieder war sie ihrer Richtung nicht gewiß. Der ausgestandene Schrecken war ihr in die Beine gefahren. Sie fühlte sich schwach. Aber sie marschierte in der einmal eingeschlagenen Direktion, ohne die leiseste Ahnung, wo der Abstieg in die Stadt kommen würde. Nicht ein einziges Licht von dieser war sichtbar. Dennoch fühlte sie sich bei aller Stille und Verlassenheit den Gefahren der Unsicherheit entronnen. Da trat zwanzig Schritte vor ihr ein Mann aus dem Gebüsch auf die Straße.