Czernin

Markus J. Plöbst

Die Leere der Kirche

Predigten eines Landpfarrers

Wo immer Markus Plöbst bisher gepredigt hat, zog er die Menschen in seinen Bann. Seine Predigten, anschaulich in der Sprache und mit dem Eifer eines unerschütterlichen Christen vorgetragen, orientieren sich an den großen Themen der Gegenwart, auf die er Antworten zu geben versucht, die stets auf breitem theologischen Wissen basieren.

Plöbst ist weder Modernist, noch Traditionalist, und damit keiner der gängigen theologischen Schulen verhaftet, dafür aber wie nur wenige andere Kleriker ein weltoffener Geist, der auf Menschen zugeht, um auf diese Weise die ihm wichtigen Botschaften Jesu Christen, aber auch Nicht-Christen nahezubringen. Der vorliegende Band bringt eine Auswahl seiner oft ans Herz gehenden, ebenso oft aber auch den Intellekt herausfordenden Predigten aus den vergangenen Jahren, die Plöbst eigens für dieses Buch noch einmal überarbeitet hat. Die Predigten sind gleichermaßen auf- wie anregend, und deshalb gerade in der von Krisen geschüttelten katholischen Kirche erfrischend.

 

Leseprobe:

Vorwort. Viele Christen wissen nicht um die Bedeutung der Predigt: Ihnen ist sie ein Teil der Meßfeier, nicht mehr und nicht weniger. Was Priester aber predigen und verkünden (und das bedeutet „pre-dicare“ kirchenlateinisch und -rechtlich), soll die Menschen zumindest nachdenklich stimmen und wenn möglich zu einem Überdenken ihrer bisherigen Lebensführung, einer Umkehr bewegen. So halten wir es seit Jesus Christus, der immer nur verkündet hat, so taten es die Apostel, so war es im Urchristentum - und daran hat sich in den vergangenen 2000 Jahren nichts geändert. Wir, die wir zu Priestern geweiht worden sind, sollen das Wort Gottes verkünden und unter die Menschen bringen. Das ist unsere allererste und wichtigste Aufgabe - im Rahmen der Liturgie, aber auch im Alltag und damit überall dort, wo wir wirken können. Wir sollen überzeugen und überzeugend wirken und daher, so oft es nur geht, das Wort ergreifen, um den Menschen die Lehre Jesu näher zu bringen. Mir ist durchaus bewußt, daß manche heutzutage meinen, auf die Meßfeier, auf die Eucharistie verzichten zu können. Aber ich bin überzeugt, daß wir beides brauchen. Und ich bin überzeugt, daß das Sakrament des Wortes ohne das Sakrament des Altars sinnentleert ist. Aber auch umgekehrt: Was wäre das Sakrament des Altares ohne jenes des Wortes? Die beiden bedingen einander, sie gehören zueinander. Mir ist auch klar, daß viele der Überzeugung sind, die Lehre Christi sei veraltet und hätte für die Gesellschaft der Gegenwart keine Bedeutung mehr. Und vielleicht ist gerade deshalb das Predigen heute die größte Herausforderung für einen Priester. Er weiß, daß - anders als vor nur wenigen Jahrzehnten, als die priesterliche Autorität noch unangetastet war - gerade in einer pluralistischen Gesellschaft die Verkündigung stets auf Widerspruch stoßen kann und nicht mehr mit jener Selbstverständlichkeit angenommen wird, wie das früher üblich gewesen ist. Seinerzeit wurde ja einem Geistlichen geglaubt, eben weil er ein „Geweihter“ war. Das priesterliche Sakrament allein hat seine Autorität sichergestellt. In der demokratischen Gesellschaft der Gegenwart, in der der Streit um die richtigen (gesellschaftlichen, politischen oder weltanschaulichen) Weichenstellungen mit Argumenten ausgefochten wird, muß auch der Priester überzeugen können und sich diesen Auseinandersetzungen stellen - in den Landgemeinden, in den Pfarren der Städte, im Amt des Bischofs und selbst in jenem des Papstes. Jeder Priester muß nach dem besseren Argument suchen und es so vermitteln, daß es auch in seiner Qualität verstanden wird. Es genügt nicht mehr, bloß darauf zu pochen, die Lehre der katholischen Kirche stehe automatisch und durch die Kraft der Evangelien über jeder anderen Glaubenslehre. Wer das tut und deswegen auf die Auseinandersetzung mit anderen verzichtet, darf sich nicht wundern, wenn unsere Gotteshäuser immer leerer werden und sich immer mehr Christen von uns in aller Stille verabschieden. Nur wenn wir verstehen, das Wort, das wir verkünden, so unter die Menschen zu bringen, daß sie aus Überzeugung in unseren Gemeinden bleiben oder auch in diese zurückkehren, können wir jenen Prozeß der Kirchenflucht stoppen bzw. umkehren, den wir in den letzten Jahrzehnten erlebt und erlitten haben. Ich habe im Laufe meines priesterlichen Wirkens die Erfahrung gemacht, daß die Kirchgeher meine Predigten im Alltag diskutieren - zum Teil versuchen sie, danach zu leben, zum Teil widersetzen sie sich meinen Gedanken. Ich sage das ohne Koketterie, auch wenn es mich natürlich freut, daß die Art und Weise meines Verkündens offenbar Wirkung hat. Ich gehe dabei stets von einem Prinzip aus: Das Wort Gottes, auf der Ebene des Alltags umgesetzt, kann so manche innere Leere füllen, wie sie viele unserer Mitmenschen verspüren. Dahinter steht die Hoffnung, die Frage nach dem Sinn des Lebens in ihren alltäglichen Hintergründen erfassen zu können. Mit anderen Worten: Ich versuche, die Lehre der Kirche in einer nicht dogmatischen Form den Menschen zu vermitteln, im festen Glauben, daß sich diese Lehre sowohl durch die Kraft der Überzeugung als auch die des Geistes Gottes durchzusetzen vermag. Ich habe nie daran gedacht, daß aus meinen Predigten ein Buch entstehen könnte. Daß das nun der Fall ist, habe ich meinem Verleger, der mich zu diesem Schritt angeregt hat, zu verdanken - und noch etwas anderem: Meine Mutter ist bettlägerig, und so habe ich vor einigen Jahren damit begonnen, meine Predigten mit dem Tonband aufzunehmen und dann abschreiben zu lassen, damit auch sie das zu hören bzw. zu lesen bekommt, was ich verkündige. Für das vorliegende Buch habe ich die Transkripte noch einmal bearbeitet und manches hoffentlich dadurch auch verständlicher gemacht, ohne aber etwas an der äußeren Form zu ändern. Was hier zu lesen ist, wurde demnach über weite Strecken auch so gesagt - im Rahmen und in der Ordnung des Kirchenjahres, dem dieses Buch auch chronologisch folgt. Es will so auch nicht unbedingt in einem Zuge gelesen sein. Vielmehr will es seinen Besitzer begleiten - von Fest zu Fest, von Sonntag zu Sonntag im christlichen Jahreskreis. Meist haben die Predigten das jeweilige Evangelium als Grundlage. In diesen Fällen wurden die Bibelstellen angeführt, ebenso finden sich am Ende jedes Kapitels die entsprechenden Termine, Orts- und Zeitangaben. Aus didaktischen Gründen sind die Predigten in der Regel in drei, oftmals antithetische, Gedanken gegliedert. So habe ich es immer schon gehalten, seit ich zum Priester geweiht worden bin. Und so möchte ich dieses Buch in die Hand des Lesers legen mit den Worten, mit denen Augustinus sein Werk vom Gottesstaat beschließt: Wem darin zu wenig oder vielleicht auch zu viel gesagt scheint, der möge mir vergeben. Wem aber gerade das Richtige gesagt scheint, der möge nicht mir, sondern Gott die Ehre geben.