Czernin

Patrik Ouředník

Europeana

Eine kurze Geschichte Europas im zwanzigsten Jahrhundert

Dass Europa auf gut 140 Seiten Platz hat, beweist der berühmte tschechische Schriftsteller Patrik Ourednik. Details der zwei Weltkriege reihen sich mit einem schlichten »und« neben überflüssiges Wissen zu den Errungenschaften des 20. Jahrhunderts, wodurch die Grausamkeiten des einen und die Skurrilitäten des anderen erst richtig zur Geltung kommen.

Ouredniks Kurztrip durch das Europa des letzten Jahrhunderts ist ein zeitkritisches Werk über die Hoffnungen und Traumata der europäischen Gemeinschaft, eine Collage der wechselvollen und widersprüchlichen Geschichte Europas. Wir erfahren in kurzer Abfolge, dass im Ersten Weltkrieg 15.508 Kilometer Soldaten fielen, 1986 eine Barbie in KZ-Uniform auf den Markt kam, wann der BH erfunden und wann er verbrannt und dass im Jahr 1901 erstmals perforiertes Klopapier verkauft wurde.

»Europeana« ist kein Geschichtsbuch Europas und auch keine Europakritik, es ist eine Bestandsaufnahme, die durch ihre Lückenhaftigkeit den Raum hinter all den bekannten und unbekannten Fakten öffnet. Da das stolze Europa dabei einigermaßen beschämt zurückgelassen wird, ist es ein Glück, dass der rasante Stil und der witzige Grundton das Buch zu einem Lesevergnügen machen.

Aus dem Tschechischen von Michael Stavarič.

 

Leseprobe:

Eine große Enttäuschung im zwanzigsten Jahrhundert war die Tatsache, dass Schulpflicht und technischer Fortschritt und Bildung und Kultur nicht dazu führten, dass der Mensch nun besser und menschlicher war, wie man noch im neunzehnten Jahrhundert geglaubt hatte, und viele Mörder und Folterer und Massenmörder waren Liebhaber der Künste und hörten Opern und gingen in Ausstellungen und schrieben Gedichte und studierten Geisteswissenschaften und Medizin und so weiter.