Czernin

Matthias Mander

Die Holschuld

oder Garanaser Filamente

Der Roman „Die Holschuld“ ist nach „Garanas oder die Litanei“ (2001) und „Der Brückenfall oder Das Drehherz“ (2005) der letzte und finale Teil der von der Kritik hochgelobten Garanas-Trilogie. Der Text, der auch als Einzeltitel gelesen werden kann, liefert eine poetische und analytische Sicht auf das Krisenjahrzehnt seit 2000.

Johann Zisser, Protagonist respektive Chronist der Trilogie und ehemaliger Industrie-Bilanzbuchhalter, ist inzwischen fast 80 Jahre alt und lebt zurückgezogen auf dem Schwaighof in Garanas. Im Laufe seines Lebens hat Zisser durch drei große Wirtschaftsverbrechen alles verloren: seinen Rentenanspruch gegen die veruntreuten Taborwerke, seine Wohnung in der Wiener Glockengasse durch einen betrügerischen Häuserschieber und seine Ersparnisse durch einen Anlegerbetrug. Er hat zwar für sich und die Kollegen stets tapfer gekämpft, aber nichts erreicht. Was ihm bleibt ist eine ziellose Ungeduld. Personen und Motive aus seinem früheren Leben drängen sich in Zissers meditatives Denken vor der Bergeinsamkeit und er lässt sich tief in die Geschehnisse der Vergangenheit ein, ehe er die Arbeit am inneren Bereitlegen der Werte für die Holschuld aufnehmen will.

 

Leseprobe:

Der gerichtliche Freispruch des Millionenbetrügers erfolgte am zweiten Verhandlungstag bereits um zehn Uhr fünfzehn. Entsetzt und erschüttert standen die Opfer noch in den Zuschauerreihen, Warteräumen und Stiegenhäusern, flüsterten, drückten ihrem Obmann Johann Zisser mit niedergeschlagenen Augen die Hand: Elf Jahre ehrenamtliche Arbeit für Wiedergutmachung waren vergebens. Weit über hundert Millionen Sparschillinge hatte die Nauticord veruntreut.
Als der soeben freigesprochene – zum harmlosen Greis maskierte – Konrad Kohlenbrenner am Arm seines gerissenen Anwalts zwischen den nun endgültig Verarmten zum Aufzug ins Freie schlürfte, stürzte ihm ein Enteigneter nach, hinderte die Aufzugstür kurz am Zufallen, schrie in die Kabine hinein: „Schämen Sie sich!“